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sounds & structure in language and music II

Prominenz im Klang oder die Suche nach dem Mörder

Wiederholungen als wiederkehrende Stilfigur, Stück für Stück entsteht ein Satz, wird fortgeführt, weitergedacht und verlängert, wird abgebrochen – unterbrochen. Von wem? Wer spricht? Wer sagt was, was bedeutet es? In der Konversation formen sich kleinste Einheiten zu größeren Strukturen und transportierten entscheidende Informationen. Es entsteht ein ureigener Rhythmus, geprägt vom Bauplan der Sprache und eigenwilligen Lauten, Dehnungen, Quetschungen, von Pause, Stocken, Schnalzen, unsicher und bestimmt. Deutsch klingt anders als Französisch anders als Spanisch anders als Persisch. Sprachen haben Soundpatterns, die wiedererkennbar sind, auch wenn man der Worte nicht mächtig ist. Sprachen haben Regelwerke für wohlgeformte Aussagen und Fragen, sie sind aber auch ein Spielfeld für Brüche und Expression vielerlei Couleur. Nicht zuletzt bestimmen individuelle Features von Stimmfarbe bis zur Sprechgeschwindigkeit the sound of talking. Nicht nur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist Sprechen eine faszinierende Praktik, die zwischen der konkreten Kultur einer Gemeinschaft und den universalen kognitiven Fähigkeiten des homo sapiens vermittelt. Sie ist auch für die Künste interessant.

Aber ist anklingende Sprache wie Musik? Oder sind musikalische Tonfolgen vielmehr selbst eine Art von Sprache, Code? In „sounds & structure in language and music II“ geht Roman Pfeifer der Frage der Parallelität dieser zwei grammatischen Systeme ergebnisoffen nach. Der Kölner Künstler an der Elektronik bringt gemeinsam mit Perkussionist Sayavash Rastani und Perkussionistin Rie Watanabe eine hochexperimentelle Komposition auf die Bühne, die als Versuch zu verstehen ist, das eine Medium (nämlich die Sprache) im anderen Medium (der Musik) erfahrbar und erkennbar zu machen. Aufführungsort ist die Kunst-Station in der romanischen Kirche St. Peter. Das Stück „A linguistic study of unexplained death“ hat Pfeifer exklusiv den Sonderforschungsbereich 1252 geschrieben, bei dem sich rund siebzig Linguistinnen und Linguisten mit dem Phänomen von „Prominenz in Sprache“ beschäftigen.

Richtig gelesen, „Prominenz“ ist ein Teekesselchen. In der Fachdisziplin des Kölner Forschungsverbundes beschreibt „Prominenz“ ein zunächst sprachliches Organisationsprinzip, das Struktureinheiten zueinander ins Verhältnis setzt und sie ihrer inneren Wertigkeit nach gewichtet. Einzelne Einheiten werden gegenüber ihresgleichen stärker und größer, prominenter gemacht. Sie stehen im Mittelpunkt des Interesses, wenn wir miteinander sprechen, sie lassen Nachgeordnetes verblassen. Kennen wir das Prinzip nicht auch aus Musikstücken? Ist Prominenz nicht ein Mittel zum Zweck, um die begrenzte Aufmerksamkeit des Hörers und der Hörerin auf ein ganz bestimmtes Detail zu führen, oder um ihm und ihr Orientierung im Meer der Eindrücke an die Hand zu geben? Lässt Prominenz dennoch Räume für abweichende Lesarten und Hörarten offen und wenn ja, wie verhandeln wir dies?

Für den ungewöhnlichen Kompositionsauftrag aus der Universität hat sich Roman Pfeifer, der Instrumentale und Elektronische Komposition studierte und seit 2003 neben freischaffender künstlerischer Tätigkeit auch als Dozent an der Folkwang Universität der Künste Essen tätig ist, intensiv mit einem Set aus sprachlichen Daten auseinandergesetzt. Professor Aria Adli, Teilprojektleiter im Sonderforschungsbereich und Lehrstuhlinhaber am Romanischen Seminar, hat dem Komponisten dafür eigens gesammelte, akribisch abgetippte und mit syntaktischen Annotationen aufbereitete Soundfiles zur Verfügung gestellt. Es sind dieselben, die Professor Adli für seine eigenen, rein linguistischen Fragestellungen nach Prominenz und Informationsstruktur unter die Lupe nimmt. In den über 400 Gesprächen mit einer Gesamtlänge von über 264.000 Minuten geht es um nichts weniger als die Suche nach dem Mörder. Die Aufgabestellung für die Gesprächspartnerinnen und -partner bei der Aufzeichnung der Files ähnelte dabei den beliebten Black Stories: „Ein Mann liegt tot im Badezimmer, was ist passiert?“ Durch dieses Setting schaffte Sprachwissenschaftler Adli es, die Probandinnen und Probanden besonders zum Stellen von Fragen zu animieren. Interrogative sind wichtige Strukturen für den geregelten Informationsaustausch, für das Anzeigen von Wissenslücken.

Um die Masse an bereitgestelltem Audiomaterial besser handhaben zu können, nutzte Komponist Pfeifer, selbst in seiner künstlerischen Tätigkeit ein begeisterter Programmierer, neuartige Möglichkeiten der computergestützten automatischen Auswertung. Pfeifer griff auf das Programm WebMAUS von der LMU München zurück, um die konkreten Sprachhandlungen formelhaft zu abstrahieren. Er ließ sich nicht nur immer wieder auftauchende Satzstrukturen als Muster ausspucken, er unterteilte auch mit großer Freude einzelne Wörter in ihre lautlichen Bestandteile. Entstanden ist auf diese Weise eine spielerische Soundgrammatik, die Assoziationen an Äußerungen der gesprochenen Sprache aufruft.   

Kuhglocken, Schleifpapier und eine persische Tombak (Kelchtrommel) lassen die Chiffren nun am 13. Oktober 2018 in der Kunst-Station St. Peter entstehen, einem sakralen Ort, der der profanen Praktik der Konversation gewisse Prominenz verleiht. Die Kölner Gesellschaft für Neue Musik (kgnm) und der Sonderforschungsbereich "Prominenz in Sprache" laden Sie herzlich ein!

Podiumsdiskussion

„Struktur und Ausdruck in Linguistik und Neuer Musik“ Interdisziplinäre Betrachtungen

Moderatorin Dr. Anna Schürmer (München), Philosophie-Professorin Sybille Krämer (FU Berlin), Komponist Roman Pfeifer (kgnm) und Romanistik-Professor Aria Adli (SFB 1252) sprechen über Klänge und Strukturen in Musik und Sprache.

„Struktur und Ausdruck in Linguistik und Neuer Musik“ ist das Thema des philosophischen Rahmengesprächs zur Aufführung, das von Dr. Anna Schürmer (Freie Journalistin und Autorin von "Klingende Eklats: Skandal und Neue Musik") moderiert wird. Sie geht mit ihren Gästen der Frage auf den Grund, was Musik eigentlich ist (oder nicht ist) und welche systematischen Verschränkungen sich zur Sprache zeigen. Frau Prof. Dr. Dr. Sybille Krämer (Philosophie/ FU Berlin) beschäftigte sich in ihrer Forschung mit Sprach- und Medienphilosophie, Stimme, Schrift, symbolischen Maschinen und der Kulturtechnik der Formalisierung. Herr Prof. Dr. Aria Adli (Romanistik/ Uni Köln) beschäftigt sich als Linguist mit dem Zusammenspiel von Syntax und Informationsstruktur und der Weiterentwicklung von Annotationspraktiken und automatisierter Sprachverarbeitung. Roman Pfeifer (kgnm) ist freischaffender Komponist aus dem Bereich der Neuen Musik und Dozent für Komposition an der Folkwang Universität der Künste in Essen.

 

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